Der grosse Individualitätskrieg des neuen Jahrzehnts

Meine Individualität ist besser als deine. Deine ist eklig; meine ist ganz normal. Wenn das so weiter geht, bricht 2020 ein Krieg aus.

Eine herausragende Errungenschaft unserer Gesellschaft ist, dass beinahe alle so sein können, wie sie wollen. Aber die grosse Odyssee der Selbstfindung führt in eine Sackgasse: Seit wir Millennials denken können, werden wir auf Individualität getrimmt. Die Medien zeigen uns immer mehr normale Menschen, die Grossartiges erreichen. Seien das nun Harry Potter oder Katniss; oder wir selber als Protagonist im Computerspiel. Wie kann einem das nicht zu Kopfe steigen?

Mitten im Selbstfindungstrip mit ungefähr 25 Jahren steht man dann irgendwie alleine da. Zerfressen von Wut und Intoleranz. Das ist vollkommen berechtigt: Man wird ja selbst auch nirgendwo toleriert und nur belächelt. Die einzigen, mit denen man sich in so einer Situation zusammentun kann: Gleichgesinnte. So jemanden zu finden, war früher beinahe unmöglich. Heute im Internet sind Leidensgenossen zum Glück nur einen Klick entfernt. Doch wer gleich gelitten hat, ist auch gleich wütend geworden.

Einst konnten sich unabhängige Gruppen mit komplett verschiedenen Zielen und Problemen zu einem Konstrukt wie der LGBTIAQ+Community zusammenschliessen. Heute kann man kaum mit einer Person befreundet sein, die einen anderen Charakter der gleichen Netflix-Serie mag. «Unterschiedlichkeit», was uns früher zusammengeführt und gemeinsam stark gemacht hat, treibt uns nun auseinander.

Jede Gruppe will nun ihre eigene Revolution. Man schaute Jahrzehnte lang zu, wie immer kleinere (Rand)gruppen ihren grossen Moment hatten; Anerkennung kriegten. Frauen, Homosexuelle, Transsexuelle. «Wann bin ich denn dran?», ist da eine absolut legitime Frage.

Ich könnte mich als Pfoffie definieren, meine eigenen Gesetze fordern. Jetzt. Und wer dann meine Sockenwahl nicht mag, diskriminiert mich. Die Pride steht dieses Jahr unter dem Motto «strong in diversity» aber genau diese Einstellung scheint unserer Community zu fehlen. Aber es fehlt, weil es auf der ganzen Welt fehlt.

Die Individualisierung ist also gleichermassen Segen wie Fluch. Ich würde sie niemals mehr aufgeben wollen; möchte das individuelle Ausleben jeder einzelnen Person sogar fördern. Offenheit und Akzeptanz sind aber bei all dem in-sich-kehren auf der Strecke geblieben. In Kleinstgruppen kämpfen wir gegen alle anderen.

Aber wir können uns alle wieder näher kommen und es wird grossartig sein. Denn ganz egal als was wir uns definieren: All dies sind nur Wörter. Und ein Wort sollte niemals definieren wie man behandelt wird.

Deshalb habe ich wir-alle.xyz erschaffen. Mein Ziel ist eine Gemeinschaft, die die Individualität liebt und fördert. Und gleichzeitig die Gräben zwischen allen möglichen Lebensweisen schliesst. Wir alle sollten gleichwertig sein, auch wenn wir alle andersartig sind.

Gemeinsam gegen den Individualitätskrieg? Mach mit bei wir-alle.xyz!

Ein erster Schritt kann das Aufgeben des sozialen Geschlechts, dem Gender sein. Ich habe dazu vor Kurzem einen Beitrag veröffentlicht: Ich bin kein Mann mehr.


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