Eigentlich wollte ich Heute über meine diktatorische Antiwerbungs-Idee schreiben. Aber gewisse Gespräche, die mein gestriger Post (und ein Artikel im Zofinger Tagblatt) ausgelöst haben, haben mich dazu verleitet, lieber noch mehr über Kinder zu schreiben.
Der eigentliche Anstoss zum Gespräch war das Zitat einer Politikerin: «Es geht hier auch um die Familie. Ein Kind hat eine Mutter und einen Vater, das ist eine Familie.» Laut dieser Logik, müssten jeder alleinerziehenden Person entweder sofort die Kinder entzogen oder vom Staat ein Ersatzelternteil gestellt werden. Auch müssten geoutete Lesben wohl zwangssterilisiert werden oder vielleicht bei einer möglichen Schwangerschaft zwangsweise einen Vater angeben, mit welchem sie nach der Geburt dann zusammen leben müssen. Kindeswohl!
Ich kann dieses Argument nicht mehr hören. Wirklich! Natürlich bin ich clever genug, um mir über die sozialen Konsequenzen für das Kind im Klaren zu sein. Aber das ist ja nicht mal das, was man uns vorwirft. Man wirft uns lediglich vor, dass wir nicht dem «Standard» entsprechen. Es gibt zwar total viele alternative Familienformen, aber die anderen kann man halt nicht verbieten. Man kann Frauen weder zwangsverheiraten noch zwangssterilisieren. Man kann die Menschen vor einer Geburt auch nicht auf Elterntauglichkeit prüfen und gegebenfalls das Kind zwangsadoptieren. Kinder zu haben ist ein Grundrecht, sofern man die nötige Hardware besitzt eines herzustellen. (Übrigens mal ein Beispiel für die umgekehrte Ungleichberechtigung)
Ein Kollege meinte, dass man halt nicht allen anderen etwas wegnehmen kann. Man kann Verwitweten, Unverheirateten, Alleinstehenden, Polygamen und Lesben nicht verbieten, Kinder zu haben. Und ich kann mir richtig vorstellen, wie sich die Konservativen deshalb in den Arsch beissen. Es ist wie auf einem Spielplatz: Alle machen etwas, das dem Raudi nicht gefällt. Dummerweise sind fast alle stärker als der Raudi. In diesem Fall sind die Schwächeren die Schwulen. Wir können nicht argumentieren, denn uns wird ja nichts weggenommen, es wird uns einfach – erneut – etwas nicht gegeben. Etwas, das man allen anderen gibt. Klar, Alleinstehende und Lesben haben auch Schwierigkeiten, wenn sie ein Kind adoptieren wollen. Sofern aber mindestens eine Frau involviert ist, kann man wenigstens versuchen, selber eines herzustellen.
Auch ein sehr nettes Argument ist folgendes: «Wenn Gott – oder auch die Natur – gewollt hätte, dass DU Kinder hast, hätte sie dich nicht schwul gemacht» Das mag ja nicht mal ganz falsch sein. Wir sprechen hier ja aber nicht darüber, dass ich ein Kind «machen» möchte – obwohl ich gerne meine eigenen Gene weitergeben würde. Nein, alles was wir uns wünschen, ist wenigstens die faire Chance ein Kind adoptieren zu dürfen. Wenn man, um ein Kind adoptieren zu dürfen, zu der Gruppe gehören muss, die von Gott ausgesucht wurden, Kinder zu kriegen… Ja, dann dürften nur Paare, die schon ein Kind haben, weitere adoptieren. Auch das klingt sehr logisch.
Ich habe nie zu den Menschen gehört, die für das Adoptionsrecht Propaganda machten. Ich versuche, die Dinge immer so differenziert wie möglich anzuschauen. Wie gesagt, ich sehe die möglichen sozialen Konsequenzen. Ich sehe auch ein, dass man als schwules Paar irgendwie den femininen Teil der Elternschaft zu ersetzen versuchen muss. Aber eben, auch Alleinerziehende müssten versuchen, das fehlende Elternteil zu ersetzen. Ich bin mir sicher, dass es da Möglichkeiten gibt. Es lebt ja nicht jede Familie allein auf einer Insel ohne Kontakt zu anderen Menschen.
Es ist mir wichtig hervorzuheben, dass ich nicht auf der Diskriminierungsschiene rumfahren will. Ich fühle mich durch dieses Gesetz in keinster Weise diskriminiert, denn ich verstehe, woher es kommt und was man sich dabei überlegt hat. Das Problem ist aber, dass es an der Kante zur Hinfälligkeit liegt und ich endlich das Gefühl habe, es ist okay darüber zu reden. Mich stört nicht, dass ich keine Kinder adoptieren darf. Was mich unter dem Strich stört sind die Argumente. Die überholt, falsch sowie eigentlich auch lächerlich sind und trotzdem noch angewendet und akzeptiert werden. Ein anderer Politiker hat übrigens folgendes gesagt: «Ich muss zugeben, dass die Vorstellung für mich eher etwas merkwürdig ist.» Was ja vollkommen Okay ist. Für mich ist zum Beispiel die Vorstellung, Fenchel zu essen, auch «eher etwas merkwürdig». Dennoch würde ich kaum jemandem verbieten, es zu tun. Oder?
Ich verstehe sowieso nicht, wie man die Adoptionsfähigkeit einer Person von deren «nichtdestruktiven» Lebensweise abhängig machen kann. Inwiefern ist es für ein Kind besser, in einem Heim aufzuwachsen als bei einer Einzelperson oder einem gleichgeschlechtlichen Paar, die sich wirklich Zeit dafür nehmen wollen? Viele bringen hier ja das Argument der Liebe. Denn alles, was es brauche, sei Liebe. Es sei doch egal, wie die Eltern sind, Hauptsache sie lieben ihr Kind. Aber irgendwie finde ich, geht es auch ohne das. Liebe ist ein verworrenes Argument auf der gleichen Stufe wie das Gott-Argument. Liebe muss als Gegeben angesehen werden, obwohl man sie niemals garantieren kann. Vor allem nicht, wenn man ein Kind adoptiert.
Am liebsten hätte ich hier einfach das eine, grosse, riesige, objektive und eindeutige Argument, das alle überzeugt. Aber ich schaffe es nicht, eines auszuformulieren. Für mich ist die Fähigkeit, ein Kind adoptieren zu dürfen, wie eine Murmel auf einer Fläche. Wenn die Fläche schräg ist, rollt die Kugel. Das ist Physik und braucht keine Argumente. Wenn jemand wirklich bereit ist, Kinder zu haben und man das auch auf Herz und Nieren geprüft hat, muss dieser Person eine Adoption erlaubt werden. Das braucht keine Argumente. Dennoch wäre eine richtig saftige Argumentationsfaust grossartig gewesen.
Es nimmt mich übrigens sehr stark wunder, ob hier irgendwer gegen die «Adoption durch Homosexuelle» ist. Ich verurteile niemanden und bin jedem Argument gegenüber offen. Denn ich weiss selber, dass ich womöglich nicht ganz so unvoreingenommen und objektiv bin, wie ich mir das gerne einrede.
Habt ein schönes Wochenende,
mit oder ohne Kinder. 🙂
Pfoffie
Kommentar verfassen