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Manchmal hasse ich mein altes Ich.

weil es mir Dinge eingebrockt hat, die mich noch Heute negativ belasten. Meistens wahrscheinlich wider besseren Wissens. Manchmal aber bestimmt auch ganz Bewusst mit dem Gedanken: «Das ist dann das Problem des Zukunftsrenés».

Zum Beispiel meine ganze gesundheitliche Misere. In erster Linie meine ich damit natürlich mein Gewicht – ansonsten bin ich ja eigentlich einigermassen gesund. Aber ich war halt einfach mega faul und stopfte mir lieber ein Sandwich rein, als dass ich mal draussen spielen gegangen wäre. Und das, obwohl ich mir der Konsequenzen extrem bewusst war. Sah ich doch überall die Auswirkungen. Doch ich wollte es nicht hören, nicht sehen. Jeden Strohhalm, der mir zeigte «so wie es ist, ist es schon okay», ergriff ich. Auch wenn diese Strohhalme dicke alte Frauen in Talkshows waren, die sagten «ich bin so glücklich und mega zufrieden» oder andere Menschen, die einfacher dicker und fauler als ich waren. Ich redete mir ein, es reiche sagen zu können «wenigstens bin ich nicht so fett wie der da!». Dafür schlage ich mich nun mit Gelenkschmerzen rum. Dankeschön!

Wo wir gerade bei Faulheit sind: Ich war nicht nur körperlich faul, sondern auch im Kopf. Vor kurzem habe ich alte Schulbücher wiedergefunden. Über die Jahre habe ich viele, viele, wirklich viele Aufsätze geschrieben. Immer waren sie irgendwie übersinnlich, abstrus, beinhalteten Aliens oder Geister oder Monster. Eine meiner Lehrerinnen sagte mir sogar einst, man könnte sich die langweiligste Ausgangslage ausdenken und ich würde dennoch die unglaublichsten Wendungen darin einbauen. Aber es zog sich auch Anderes durch die Bewertungen: «Lies doch die Reinschrift noch einmal durch», «Achte mehr auf deine Reinschrift», «Bitte achte mehr auf die Rechtschreibung», «Viele Flüchtigkeitsfehler, konzentriere dich besser bei der Reinschrift». Ha! Reinschrift? Ich weiss noch, dass ich bei mindestens der Hälfte aller Aufsätze nur die Reinschrift geschrieben habe. Ich hielt mich für clever, so müsste ich meine Texte nur ein einziges Mal schreiben. Dieses Verhalten liegt mir noch immer: Ich tue mich auch jetzt noch sehr schwer damit, meine eigene geschriebene Arbeit zu korrigieren. Seien das nun Blogeinträge, Bücher oder E-Mails. Mein Kopf sagt mir: Wenn kein Wort rot unterstrichen wird, wird schon alles richtig und deutsch sein. Jaja!

Doch man konnte mir eh sagen, was man wollte. Nichts motivierte mich zu mehr Ehrgeiz. Das, was ich werden wollte, würde ich sowieso nie erreichen. Dies hat man mir stets und ziemlich erfolgreich mein ganzes Leben lang eingeredet. Man wird nicht Schriftsteller, man wird nicht Musiker, man wird nicht Künstler. Das sind andere Menschen, die sowas werden, die es zu etwas Grossem schaffen. Nicht wir, nicht «man». Hätte ich mich damals schon über dieses «man» hinweg gesetzt, damals schon erkannt, das jeder etwas Grosses schaffen kann … Wer weiss, womöglich hätte ich es inzwischen getan. Womöglich hätte ich bereits meinen Weg gefunden. Aber nein, da meine Erleuchtung erst so spät kam, mühe ich noch immer mitten im Selbstfindungstrip ab, während die Zeit um mich herum verrinnt.

Diese Ehrgeizlosigkeit gepaart mit der generellen Faulheit hielt mich auch davon ab, mich mit meinen X-Beinen auseinander zu setzen. Ach, wer will schon Skifahren oder Rollschuhfahren können. Selbst Heute passiert es mir noch, dass ich EINFACH SO irgendwo auf den flachsten Flächen über meine eigenen Hinterpfötchen strauchle. Noch immer ist mein Gang etwas schräg und seltsam, ausser ich konzentriere mich wirklich gut. Hätte ich früher besser darauf geachtet, es früher richtig gelernt, mal nachgedacht, als man mir erklärte was das für die Zukunft bedeutet…

Ich wünsche mir generell, ich hätte mehr nachgedacht. Oder zumindest weiter voraus. Ein dummes Kind war ich nämlich nicht. War ich doch cleverer als meine Eltern; sodass ich mich stets davor drücke konnte, irgendwas zu machen; sodass ich niemals wirklich lernte, Ordnung zu halten, kein Chaos zu haben; sodass ich niemals verlernte faul zu sein, da ja sowieso immer jemand anderes die Arbeit erledigt. Selbst jetzt gerade, in diesem Augenblick, kocht Daniel Abendessen, obwohl er krank ist und eigentlich wollen würde, dass ich es tue. Aber ich kann ja nicht kochen.

(Geplagt von schlechtem Gewissen habe ich gerade gefragt ob ich ihm etwas helfen kann. Er hat Nein gesagt. Zum Glück. Und ich habe natürlich nicht nachgehakt.)

Umgekehrt war ich der schüchternste Mensch überhaupt. Hatte ich zwar mein ultranahes Umfeld quasi unter Kontrolle, machte mir alles andere Angst. Ich fürchtete mich vor dem und den Unbekannten. Egal ob neue Kinder, neue Lehrer, neue Orte, neue Spiele, neue Aktivitäten, neue Wege. Neu war mein grösster Feind. Denn in meiner Vorstellung war alles immer nur für mich neu. Die Anderen kannten alles schon, sie waren in allem schon gut, sie würden sich über mich lustig machen. Das waren in meiner Vorstellung dieselben Anderen, die später dann auch berühmt werden würden.

Diese Angst vor Neuem verhinderte auch so viele Erlebnisse und Erfahrungen, die Andere schon als Kinder, Jugendliche und Neuzwanziger hatte. Einiges davon konnte ich zwar nachholen, aber gewisse Dinge funktionieren nur, wenn man jünger ist. Ich war viel zu oft viel zu falsch mit meinem damaligen Ich beschäftigt. Ich machte mir selten Gedanken darüber, was ich später wohl von diesen Verhaltensweisen denken würde.

Bis Morgen und danke für’s Lesen.
Pfoffie

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