«Die Herbstwanderung» – Eine Kurzgeschichte

Könnt ihr euch noch an mein superduper-Schreibkurs-Studium-Dings erinnern? (Bei solchen Einleitungssätzen scheine ich das auch zu vergessen haha) Dank jenem wurde ich ja bereits zu einigen Kurzgeschichten gezwungen. Einige – genauer vier – davon, habe ich ja vor kurzem sogar hier gebloggt. Ich weiss nicht, ob ich das damals schon festhielt, es handelte sich jedoch bei allen bisherigen Geschichten einfach um Übungen aus den Arbeitsheften, nicht um Einsendeübungen. Aber jetzt wird’s ernst, denn die nächste Geschichte (und noch eine zweite…) sind die erste Einsendeübung, die dann auch bewertet – also benotet! – wird. Ich bin so aufgeregt!

Und da ich nicht nur eine Bewertung sondern auch die Bewertung meiner Freunde schätze und haben will, werde ich die Geschichte hier posten. Die Geschichte ist die «Abschlussarbeit» zum Thema «Schreiben für mich» (oder eher «schreiben über mich») und somit erneut biographisch:

Die Herbstwanderung

Schulreisen waren für mich immer ein schwieriges Thema. Die Grosse im Sommer war mir meistens zu anstrengend, die Luft heiss und die Pfade zu sonnig. Das winterliche Pendant zur Sommerschulreise war der Skitag. Hätte ich eine dieser Reisen aus seiner Existenz löschen können, wäre dieses schreckliche und alljährliche Winterereignis der eindeutige Kandidat gewesen. Mit jedem Jahr wurden immer mehr Skis zu Snowboards und ich hatte immer weniger Lust, mich mit meinem Kufenschlitten zu all diesen Winterfanatikern zu gesellen.

Doch da gab es auch noch die Herbstwanderung. Es scheint aus mehreren Gründen auf der Hand zu liegen, warum sie das wenigste aller Übel war. Der Herbst war für mich unsportlichen Zeitgenossen damals natürlich einer der beiden angenehmen Monate. Es war warm genug, um nicht unter dicken Jacken in Schweiss verlaufen zu müssen. Und es war auch kühl  genug, sodass man selbiges auch nicht in T-Shirt und kurzen Hosen tun musste. Was natürlich auch für diesen Ausflug sprach, war der Fakt, dass diese Wanderungen immer in Zusammenhang mit einem aktuellen Naturkunde-Thema stand.

Natürlich besass auch diese eine, spezielle Herbstreise in der sechsten Klasse diese Vorteile. Sie sollte an einem Montag stattfinden und wir begannen in der Woche davor mit den Vorbereitungen.

Das Thema waren Ameisen und wir sollten auf dem Berg in der Nähe, dessen Namen ich nie wusste und durch welchen sich ein Autobahntunnel schlang, nach Ameisenhaufen suchen. Wir bildeten kleine Teams und verteilten darin Aufgaben. Ich musste für die Experimente eine blaue Blumenblüte und ein Stück Kreide mitnehmen. Alle wunderten sich, wofür die Blüte wohl sein könnte, doch ich wusste es. Wenn das Gift der roten Ameisen auf das blaue Blatt spritzte, würde es sich an diesen Stellen gelb verwandeln. Ich wusste gar, dass dies aufgrund der Säure im Gift war. Ich erzählte jedoch nichts und freute mich innerlich schon sehr auf die verwunderten Gesichter meiner Schulkameraden.

Das Wochenende kam und bei jedem Blick aus dem Fenster sah ich diesen Hügel, welchen wir in weniger als zwei Tagen besteigen würden. Ich war glücklich und hatte wahrscheinlich kein anderes Thema, als das sich verfärbende Blütenblatt. Ich wusste, das würde das Beste sein, was ich jemals gesehen hatte. Dieser Effekt, wie sich die Pigmente von blau zu gelb umentschieden, ich wusste, das musste grandios werden.

Und so kam dieser Montag. Nebelschwaden und unsere Klasse zogen unter der Autobahnbrücke neben jenem Berg vorbei. Wir passierten das alte Hotel, dass jetzt nicht einmal mehr ein Restaurant war und überquerten die Strasse. Unser Lehrer zählte uns durch und es ging los. Es war natürlich wie immer, der Lehrer und all die, die so viel klüger und sportlicher waren als ich, zogen vorneweg los. Es störte mich nicht, war es doch mein alltägliches Brot bei jeder Reise.

Als erster Pausen- und Verpflegungspunkt war die kleine Kapelle gedacht, welche man mit langen Beinen nach Zehn, mit kurzen nach 20 und mit übergewichtigen nach 30 Minuten erreicht. Ich erinnerte mich, mit meinem Vater schon einmal dort gewesen zu sein. Es war ein kleines, weisses Gebäude, dessen Funktion nur durch einen fast unscheinbaren Turm von aussen zu bestimmen war. Es lag, halb im Wald versteckt, an der rechten, unteren Ecke einer langen und sehr steilen Wiese. Ich kam an, setzte mich auf einen noch freien Platz auf einer Bank und holte den Rucksack auf meinen Schoss. Ich zog am Reissverschluss und freute mich auf mein kühles Wasser. Doch genau in diesem Augenblick klatschte der Lehrer zweimal in seine Hände, liess uns wieder durchzählen und verkündete, dass die Pause vorbei war und wir weiter zogen.

Langsam kam in mir nicht nur eine Wut auf den Lehrer, sondern auch die Sonne hinter den Bergen hoch. Ich war allein, schwitzte, konnte nicht mehr, wollte nach Hause und konnte kaum die Tränen unterdrücken. Jeder meiner Schritte brannte in meinen Beinen und ich fürchtete, verloren zu gehen, wenn ich den letzten meiner Kameraden vor mir aus den Augen verlor. Ich strengte mich an, immer mehr und immer stärker, doch ich merkte, dass es keinen Sinn hatte.

Kurz bevor ich umkehren und einfach nach Hause gehen wollte, merkte ich, dass einer meiner Kameraden auf mich zu rannte. Ich hoffe, es wäre einer von denen, die ich zu meinen Freunden zählte. Einer, der mir helfen wollte. So war es aber nicht. Er war einer von denen, die ich die meiste Zeit ganz und gar nicht leiden konnte. Er kam dann aber auch nur, um zu sagen, dass ich ein bisschen schneller machen sollte, da der Lehrer nicht ewig Pause am zweiten Punkt machen wollte.

In diesem Moment war meine Entscheidung gefallen. Ich sagte diesem Kameraden, ich ginge jetzt nach Hause. Er könne gern für die Experimente meiner Gruppe meinen Rucksack haben. Er verweigerte, sagte, dies sei meine Verantwortung. Ich erwiderte ein abschätziges Nein, drehte mich um und lief zurück. Dank der Neigung, die nun plötzlich mein Freund wurde, war ich in weniger als 20 Minuten zurück an der Brücke und somit zurück im Dorf.

So wurde diese spezielle Herbstwanderung zwar kein Etappensieg gegen den inneren Schweinehund, eindeutig jedoch einer gegen die pädagogische Unfähigkeit jenes Lehrers.

Ende.

Und für alle interessierten: Ja, natürlich ist es derselbe Lehrer, der mich schon in einer früheren Geschichte gemobbt hat 😉

Wie fandet ihr diese Geschichte?

Ich freue mich über jegliches Feedback.

Gracias und Cheerio – Pfoffdude


Kommentare

3 Antworten zu „«Die Herbstwanderung» – Eine Kurzgeschichte“

  1. Du hast es super geschrieben und beschrieben, konnte mich gleich wieder darin finden, fühlte gerde wie dieser Tag zu ende ging! Aber dieser Lehrer hat Dich wirklich die ganze zeit gemopt! Das konnte er glaub am besten!

    Lg. Bernadette

  2. […] ihr euch noch an «die Herbstwanderung» erinnern? Ich auch. Und als ich letzten Sonntag zufälligerweise mit dem Fahrrad dort vorbeifuhr […]

  3. […] juchzte auf vor Freude. Als ich das letzte Mal den Lopper hochgekraxelt war, dachte ich bereits die Herbstwanderung geschafft zu haben. Das Ziel waren damals Ameisenhaufen. Erst jetzt hatte ich es also endlich […]

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