«Der Lehrer» – Meine grösste Enttäuschung

Dies ist nun schon die dritte von vier biographischen Kurzgeschichten, die ich am Montag angedroht hatte. Sie ist die einzige, die einen sehr negativen und somit auch wunden Punkt meines Lebens anspricht. Ich hoffe, ich kann sie trotzdem spannend und mit gleichem Willen schreiben, wie die vorherigen zwei. Natürlich ist auch hier wieder das Ziel Orientierung, Problem, Bewertung und Auflösung als Geschichtsabschnitte einzubinden.

«Der Lehrer» – Meine grösste Enttäuschung

Ich war immer eines dieser Kinder, das die Lehrer mochten. Ausser an Mathe, war ich an allem interessiert und auch durch’s Band gut. In meinem Heimatort ist es so, dass man in der Primarschule alle zwei Jahre den Lehrer wechselt. Wir hatten einen etwas anderen Ablauf und wechselten vom dritten zum vierten Jahr noch einmal mehr als alle Anderen.  Das war aber kein Problem, auch wenn alle unsere neue Lehrerin hassten, ich fand sie und auch ihren Unterricht toll. Gegen Mitte dieses vierten Schuljahres wurden wir dann informiert, welchen Lehrern wir im daruffolgenden zugeteilt wurden. Als ich sah, wem wir zugeteilt waren, hatte ich schon mein erstes mulmiges Gefühl. Es war der Vater meines Erzfeindes.

Ich startete das fünfte Jahr mit einer leichten Angst vor dem neuen Lehrer. Gleichzeitig hatte ich auch noch meinen besten Freund an das Sitzenbleiben-Virus verloren. Ich stand der Gefahr alleine gegenüber. Natürlich redete ich mir ein, dass alles gut kommen würde. Warum sollte mir dieser Lehrer auch etwas schlechtes wollen? Als Lehrer würde er bestimmt objektiv genug sein, diese privaten Unstimmigkeiten aussen vor zu lassen. Leider war dies ein gewaltiger und weit reichender Irrtum. Fehler meinerseits wurden an die grosse Glocke gehängt. Zu schwierige Aufgaben mussten von mir an der Wandtafel gelöst werden. Meine Stärken wurden weder erkannt noch gefördert und schon gar nicht gelobt. Schikane um Schikane, jede Woche, jeden Tag.

Ich hasste ihn. Ich hatte zuvor gedacht, ihm eine Chance geben zu können. Er war nur der Vater meines kindlichen Antagonisten und mir war trotz meines alters diese Objektivität gegeben, die ihm anscheinend fehlte. Ich wurde immer öfter Krank, interessierte mich kaum noch für die Schule und machte keine Hausaufgaben mehr. Dies alles tat natürlich nicht nur mir, sondern auch meinen Leistungen nicht gut. Die Noten sackten in unglaubliche Tiefen und mit ihnen das Vertrauen meiner Eltern.

Das im ersten Moment als glück empfundene Handeln meiner Eltern, ein Problem zu bemerken, führte dazu, dass ich mich ihnen öffnete. Ich erzählte, dass mein Lehrer mich schikaniert. Erzählte, dass er immer vor all meinen Schulfreunden auf Fehlern rumhacke, die ich gemacht hatte. Und so kam es, dass wir eines Abends am grossen Tisch im Schulzimmer sassen. Mein Lehrer, meine Eltern und ich. Der pädagogische Anführer ergriff das Wort und redete auf meine Eltern ein. „Was ist denn nun das Problem? Was hat René denn? Er ist eigentlich ein netter Junge. Ich versuche ihn zu untestützen. Ich will das Beste für ihn.“ Meine Eltern schauten mich fordernd an. Der Lehrer schaute mich noch fordernder an. Er sagte, mit seinen starken und perfekt gewählten Worten, dass ich doch nun nur ein Beispiel nennen soll, wie er mich denn schikaniere. Ich sass auf dem harten Holzstuhl, sah kaum über die grüne Tischplatte aber dafür direkt in die fordernden, grossen, bösen Augen des Lehrers. Ich versuchte in den Augen meiner Eltern schutz zu suchen, fand ihn aber nicht. Sie waren alle so gross und ich war so klein. Ich sagte nichts. Es gab so vieles, aber ich sagte nichts.

Einige unangenehme Momente später sassen wir im Auto und ich hörte mir eine lange Schelte mit Vorwürfen der Zeitverschwendung und Blossstellung an. Ich entschied mich, nichts mehr zu sagen. Nie mehr. Auch beim Lehrer hatte das Gespräch Auswirkungen. Er entschied sich schlussendlich dafür, seine pädagogisch wertvollen Schikanen zu verstärken.

Ende

Und ich sag‘ euch eins, wäre das nicht so passiert, hätte ich bestimmt schon einen Bestseller geschrieben. Aber es wären auch so viele, so gute Freundschaften niemals zustande gekommen, dass es vielleicht sogar gut so war? Gleichzeitig darf ich natürlich auch nicht behaupten, dass nur eine einzelne Person an allem negativen schuld war. Aber dieser fiese Mistkerl hat schon seinen sehr wichtigen Beitrag zur Entfaltung meiner schlummernden Faulheit beigetragen.

Jetzt noch schnell die Abschnitt-Analyse:  Die Orientierung findet hier natürlich als Beschreibung meiner Person als Schüler statt. Das Problem entsteht, als ich diesem Lehrer zugeteilt wurde und mein bester Freund nicht. Die Bewertung liegt auf der einen Seite in der Erkenntnis, dass ich jenen Lehrer hasse und andererseits (am Anfang des dritten Abschnitts) darin, dass ich die Reaktion meiner Eltern zuerst als positiv bewerte. Die negative Auflösung ist in diesem Fall das Lehrer-Eltern-Schüler-Gespräch und die daraus entstehende Erkenntnis, dass man nicht auf meiner Seite ist. Genau diese Erkenntnis, dass man mich nicht ernst nimmt, war die bisher enttäuschendste in meinem ganzen Leben.

Ich hoffe euch hat das Lesen mehr spass gemacht als das Schreiben mir.

Cheers, Pfoff.


Kommentare

9 Antworten zu „«Der Lehrer» – Meine grösste Enttäuschung“

  1. Ich kann dir sehr gut nachempfinden. Meine jetzt beste Freundin, fehlte schon in der 1. oder 2. Klasse für ca. 2 Monate, da sie mit unserer Lehrerin damals nicht zu recht kam. Warum aber genau, das wusste niemand so recht. Und sie war durchaus auch später eine sehr sehr gute Schülerin.

    Übrigens habe ich das dann in der Lehre auch erlebt. „Kleider machen Leute“ gab man mir immer wieder zu spühren. Schlimm war es aber, als der eine Lehrer, einem Schulkollegen mitten in der Stunde sagte: „Was sitzt du eigentlich so schwul da?“ Eine Woche später hat er die Mediamatiker-Lehre abgebrochen.

  2. was ich noch sagen wollte. Schlimm natürlich, dass dir deine Eltern nicht geglaubt haben. Ich finde, wenn ein Kind Äusserungen dazu gibt, gemobbt zu werden, oder blos gestellt zu werden von sich gibt, sollte man dies als Eltern ernst nehmen. Und zuerst dem Kind glauben, bevor man dem Lehrer Glauben schenkt.
    Man hat dich dadurch eingeschüchtert, weil man nicht hinter dir stand! Traurig…

  3. Ach und noch was 🙂 Auch in dieser Geschichte man kann sich sehr gut in deine Person einfühlen. In einen kleinen Jungen, der von seinen Eltern nicht „ernst“ genommen wurde. Der böse Lehrer auf der anderen Seite, der hinterlistig war.
    Ich finde auch das, kommt in deiner Geschichte wieder super rüber. Die Enttäuschung welche du hast, steht dir „in die Geschichte“ geschrieben 😉

  4. Ich freue mich für deine Freundin, dass sie wieder eine sehr gute Schülerin wurde. Ich wurde einfach nur faul. Ich hab danach nur noch die Dinge gemacht, die mich interessierten – Das galt auch für die Sekunderstufe und die Berufslehre. Nicht sehr klug, aber ja, das Verhalten hatte ich halt übernommen.

    Ich höre auch immer wieder von solchen Assi-Lehrern, die mit den bösen Schülern überfordert sind und das an den schwachen schülern auslassen.

    Kleider machen Leute. Wie oft habe ich das gehört… Das ist einfach eine scheiss-einstellung. Bin froh, dass Du Dich davon nicht unterkriegen hast lassen 🙂

    LG René

  5. Zu deinem 2. Kommentar: Es ist lustig, denn das ist ein Thema, dass ich wohl seit diesem Zeitpunkt mit mir rumschleppe. Ich habe immer das Gefühl, ich würde nicht ernst genommen werden. Denn genau das wurde mir auch immer vorgelebt. Wenn zB am Computer was nicht ging, wurde ich beschuldigt, ich sagte: „nein, es ist das und das“ – man glaubte mir nicht und fragte einen Bekannten. Dieser Bekannte wiederholte zwar genau das, was ich gesagt hatte, man schien sich jedoch nicht mehr daran zu erinnern, dass ich eigentlich recht hatte. Tja! Aber das hat mich auch zu dem gemacht, was ich Heute bin.

    Und zum 3.: Dankeschön! Es freut mich zu hören, dass die Geschichte bei Dir das zeigt, was ich damals gefühlt habe. „In die Geschichte“ geschrieben – haha das find ich einen geilen Satz 😀

    mlg

  6. ja, normalerweise heissts ja „ins Gesicht geschrieben“, da ich dein Gesicht momentan aber leider nicht sehe… ists halt „in die Geschichte“ geschrieben *lach*.

    Da ich ja mit dir zusammengearbeitet habe, weiss ich GENAU was du meinst. und wenn es hier einen „Ich stimm dir zu“-Button gemäss „I like“ Button à la facebook geben würde, würde ich dir bei deiner Antwort auf den 2. Kommentar voll und ganz „zustimmen“. Man hat dir in deiner Kindheit schon das Gefühl gegeben, dich nicht ernst zu nehmen, und das schleppst du jetzt auch noch mit 24-schönen Jahren rum.

    Zum Glück hast du ja mich, ich schau zu dir herauf, du bist mein Held, und wenn du mir was sagst, glaub ich dir das auch! 🙂 *schmatz*.

  7. hahaaha jööööööööööööööööö!!!!! dankeeeeschööööööööön 😀 sowas liebes hab ich jetzt grad gebraucht :):):):)

  8. Das ist sehr sehr traurig. 🙁 Ich glaube, es kommt öfter vor, als man denkt, dass Kinder grosse Entscheidungen treffen, die ihr Leben verändern.

    Ich hab auch mal sowas erlebt und ich habe aber gehört, dass das früher eher öfter vorkam, dass man nicht dem Kind glaubte, sondern den Lehrern und sich gemeinsam gegen das unartige Kind verbündete. Das ist ganz schlimm.

    Deine Bestseller werden erst dadurch entstehen, weil die Tiefe einer Person entsteht erst durch die Weitsicht, Tiefsinnigkeit, Vielschichtigkeit und Feinfühligkeit, die sie entwickelt, weil sie ganz viele Schwierigkeiten durchgemacht hat.

    😉
    Das ist der Unterschied zum Blender. Oder so.

  9. […] ist zu «der Familie» zu gehören, ein Aussenseiter zu sein. Genauso weiss ich auch, wie es ist, verhört aber nicht angehört zu werden (Nein, dieser Link führt nicht zur […]

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