Ich bin ein Messie; akzeptiert das.

Wie Labels zu Entschuldigungen werden und warum das ein Problem ist.

Hanka Rackwitz, die man gerade im Dschungelcamp bewundern konnte, hat Hypochondrie. Das heisst, sie hat eine irrationale, krankhafte Angst davor, Krank zu sein. Ich weiss es in diesem Fall natürlich nicht wirklich, aber da sie das so direkt ausspricht, gehe ich davon aus, dass diese Hypochondrie von einem Arzt diagnostiziert wurde. Ihre Angst ist also so ausgeprägt, dass es eine Krankheit ist.

Klar bin ich froh, kann man so etwas diagnostizieren und somit auch, dass man hoffentlich versucht, es zu behandeln. Ich habe «Ich bin ein Star, holt mich hier raus» nicht wirklich mitverfolgt und weiss deshalb auch nicht, wie Hanka mit dem Thema umgegangen ist. Aber grad bei Hypochondrie war ich im ersten Moment überrascht, dass dies tatsächlich eine Krankheit sein kann. Mein erster Reflexgedanke war, dass man doch damit der Betroffenen signalisiert, dass sie recht hat. Und ich stellte mir vor, wie eine an Hypochondrie-erkrankte Person jeden Tag zum Arzt geht und sich sagt: «Ich habe ja Hypochondrie, ich darf das.»

Diese «Wort ist XY ist eine Legitimation für mein Verhalten»-Sache kenne ich leider zu gut. Sowas habe ich in meinem Umfeld schon so oft erlebt. Sobald etwas eine Bezeichnung, ein Label hat, wird es als Legitimation benutzt und die Betroffenen bewegen sich nicht mehr vorwärts, arbeiten nicht mehr an einer Lösung. Ich erlebe es oft sogar bei mir selbst. Wie der Titel schon sagt: Ich bin ein Messie, ein Chaot. Weil ich halt kreativ bin, kann ich keine Ordnung halten. Klar wurde nie sowas bei mir diagnostiziert, aber es gibt es und ich zeige diese Verhaltensmuster. Somit muss ich es wohl auch haben. Das heisst ich muss mich auch nicht ändern. Meine Familie hat eine Tendenz zu Übergewicht, natürlich darf ich dann auch übergewichtig sein; Wir sind eben unsportlich, also ist es Okay, phlegmatisch zu sein; meine Eltern konnten nicht mit Geld umgehen, also ist es in Ordnung, wenn ich es auch nicht kann. Und das sind noch nicht mal Labels.

Ich habe keine bessere Lösung für dieses Problem. Es kann keine Forschung, keine Behandlung geben, wenn man es nicht deklariert. Gleichzeitig habe ich es so oft erlebt, dass nach einer Diagnose nichts mehr unternommen wird. Habe erlebt, wie Medikamente nicht genommen, Psychologen nicht mehr besucht und ärztlicher Rat nicht befolgt wurde. Wie wenn man ein gebrochenes Bein nicht behandeln und es als Ausrede nie mehr Laufen zu müssen benutzen würde.

Dazu kommen die vielen Selbstdiagnosen. Wieviele neue, selbstdeklarierte Hypochonder wird es nun nach «Ich bin ein Star, holt mich hier raus» wohl geben? Welche davon werden Hilfe suchen und wer wird es einfach als Ausrede benutzen? Auf der einen Seite ist es grossartig, dass man die Menschen sensibilisiert und auf solche Dinge hinweist. Das kann Leben retten. Auf der anderen Seite erschafft es Hypochonder die denken sie seien Hypochonder. Womit sie ja dann eigentlich recht haben. Was ja eigentlich … gut ist?

Ach. Dieses Thema beschäftigt mich so sehr und ich fühle mich so machtlos. Es scheint kein Richtig und kein Falsch zu geben, oder mir fehlt zumindest die Kompetenz es zu sehen, zu entscheiden. Ich würde so gerne etwas tun, etwas verändern das allen hilft. Aber alles was ich kann, ist beobachten und das zu sehen, was ich sehe.

Hm!

Cheers


Kommentare

3 Antworten zu „Ich bin ein Messie; akzeptiert das.“

  1. zu diesem thema zwei film-empfehlungen:
    „Super-Hypochonder“
    „Besser geht’s nicht“

    1. Okay, vielen dank! wo finde ich die?

  2. cede.ch
    🙂

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