«Der normalste Tod» – Teil 2 einer Kurzgeschichte

Diese Woche erzähle ich euch ja eine Kurzgeschichte. Sie ist in fünf sehr kurze Kapitel unterteilt und heute wird schon das zweite veröffentlicht. Der Titel der Geschichte ist «Der normalste Tod» und das heutige Kapitel heisst «16. Dezember 2004». Viel Spass!

16. Dezember 2004

Meine Ferien stehen vor der Tür und eigentlich sollte ich vor Freude und Aufregung explodieren. Aber heute Nacht traf ich in meinen Träumen nach einer Ewigkeit wieder den Tod. Er stand in meiner Diele und trug einen schwarzen Bikini. Ja, das sah um Längen weniger klischeehaft aus als noch vor drei Jahren. Leider klingt es aber lustiger als es war. Seine Knochen waren aschgrau, an einigen Stellen pechschwarz. Der Bikini bestand aus zwei traurigen Stofffetzen, halb zerrissen aber ansonsten straff über seine dunklen Gräten gespannt. Sein Schädel starrte mich trotz fehlender Augen an und grinste. Ganz genau so wie alle Schädel grinsen. «Hast du eigentlich eine Schwimmweste?», fragte er mich grimmig. Ich wollte etwas antworten aber aus meinem Mund kam kein Ton. So schüttelte ich nur unsicher aber hastig den Kopf. Oder zumindest bildete ich mir ein, das getan zu haben. Der Schädel verzog sich, klapperte und ich hörte ein eiskaltes, lautes Lachen. In meinem Kopf drehte sich alles und mir wurde speiübel. Selbst Stunden nach dem Aufwachen ging es mir noch nicht besser.

Morgen geht mein Flug nach Khao Lak in Thailand. Ich denke aber, dass ich auf diese Ferien verzichten sollte. Der Tod war in Ferienstimmung, fragte mich nach Schwimmvesten. Ich bin nicht mehr in Ferienstimmung, fürchte mich nun vor Schwimmvesten. Vor drei Jahren hat es mir das Leben gerettet, auf mein Gefühl zu hören. Nun, die Ferien sind bezahlt und ich weiss nicht, was ich sonst tun soll. Auf zwei Wochen bestes Wetter und Erholung verzichten? Für eine vage Ahnung? Warum kann der Tod sich nicht klarer ausdrücken? Ich werde aber wohl auf ihn – oder wohl eher mein dummes Gefühl – hören.


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