Anthropostorie – Eine Geschichte von Menschen

Seit kurzem treffe ich immer wieder auf seltsame Charaktere und gerate in Situationen mit ihnen, die genau so seltsam sind. Ich nehme nun einige von diesen und versuche, sie in einer Geschichte miteinander zu verknüpfen. Vorab: Es sind alles Frauen, nicht weil ich Frauen blöd oder per se seltsam sind, sondern weil die letzten Begegnungen der seltsamen Art halt eben mit Frauen stattfanden.

Anthropostorie – Eine Geschichte von Menschen

Es ist Mittwoch und Xenia bereitet alles für den kommenden Abend vor. Wie jeden Mittwoch Abend, wird auch Heute wieder der somit wöchentliche Frauenabend stattfinden. Xenias Freundinen, von welchen nicht alle wirklich ihre Freundinnen sind, werden gegen zwanzig Uhr bei Ihr ankommen. Sie ist im Schuss und freut sich. Sie und auch ihre Freundinnen wissen, dass Xenia die perfekte Wahl als Veranstalterin dieser Treffen ist. Sie planten, sich abzuwechseln, doch schon nach einigen Monaten war klar – auf allerseitiges Wünschen – dass Xenia diesen Job fix übernehmen wird. Man könnte nun meinen, Xenia hätte diesen Frauenabend selbst ins Leben gerufen. Zuzutrauen wäre es ihr, das bestreitet niemand. Aber, so unglaublich dies auch noch erscheinen wird, es war Lieses Idee.

Es ist jetzt 19:30 Uhr und genau diese Liese steht ausserhalb des Lichtkegels der Strassenlaterne vor Xenias Haus. Sie schaut aus dem Dunkel in den hell erleuchteten Wohnzimmerpalast Xenias. Eliane ist bereits da und hat es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht. Was auch immer gemütlich für Eliane bedeutet, denkt sie und dreht sich vom Fenster weg. „Ich bin zu früh“, grummelt sie leise vor sich hin und geht weiter, um noch eine oder zwei Runden um das Viertel zu drehen. Auch wenn es ganz offensichtlich kein Problem ist, zu früh zu sein, schätzt sie es, sehr pünktlich oder vielleicht sogar eine halbe Minute zu spät zu sein. Einmal alle zusammen zu begrüssen ist in jedem Falle besser als jeden einzeln.

Eliane sitzt auf dem Sofa. Sie ist leicht genervt vom Fakt, die Erste zu sein. Als sie vor einigen Momenten das Wohnzimmer betrat, fragte sie, wie immer, überrascht, ob sie die erste sei. Xenia bestätigte, auch wie immer, dass dies so ist. Heute jedoch war etwas anders. Eliane seufzte und meinte: „Ich bin immer die Erste.“ Xenia räusperte sich und meinte unverblümt, dass Eliane ja auch am meisten Zeit hat. Das hatte Elianes Stimmung gar nicht gut getan. Jetzt sitzt sie auf diesem Sofa, dessen Designer sie erwürgen würde und gesteht sich selber ein, dass es um ihre Stimmung sowieso nie wirklich gut steht.  Aber wehe, denkt sie weiter, das unterstellt mir Heute jemand.

Es klingelt. Xenia hüpft aus der Küche an Eliane vorbei, bewegt ihren mächtigen Oberkörper in deren Richtung und meint überrascht: „Du bedienst dich, gell.“ Eliane reagiert mit einem müden Nicken in Xenias Richtung.  Diese jedoch ist bereits weiter, hat das Nicken weder gesehen, noch sich dafür interessiert und öffnet die Tür. „Susanne“, hört Eliane Xenia ausrufen. Küsschen, Küsschen und die beiden betreten den Raum. „Hallo Eliane.“ Xenia und Eliane wissen beide, wie Susanne das meint. Susanne ihrerseits weiss auch, dass ihre nicht sehr unterschwellige Nachricht angekommen ist. Sie setzt sich auf den Einzelsessel und versucht, während Xenia wieder in die Küche verschwindet, mit Eliane einen Smalltalk zu beginnen.

Wie war dein Tag? Wie läufts mit dem Mann? Wie war das Wetter? Wie läufts mit der A…

Die Tür ruft erneut mit ihrem hohen und klirrenden Ton nach Öffnung. Eliane und auch Susanne atmen erleichtert aus und letztere springt von ihrem Stuhl auf. „Ich mach schon auf!“, ruft sie zur Küche und spaziert zum Eingang. Eliane hört ein der Türklingel ähnliches, schrilles „Silvia“ von Eingang hallen. Xenie betritt das Wohnzimmer, schaut umher, ignoriert Eliane und erkennt leise für sich, dass jetzt nur noch die Liese fehlt.

Silvia und Susanne setzen sich und Silvia beginnt zu erzählen, was sie unbedingt los werden will. „Das glaubt ihr nicht…“ Susanne und Xenia schauen sich an und grinsen. Sie werden es in jedem Fall glauben, sie glauben es immer, auch wenn – und eigentlich vorallem dann – wenn Silvia mit diesen Worten anfangt. „Ich habe die Liese gesehen, sie schleicht um das Viertel umher. Ob sie wohl vergessen hat, wo Xenia wohnt?“ Alle ausser Eliane beginnen zu lachen und amüsieren sich über diese neue Anekdote über Liese. Eliane räuspert sich, bekannterweise offensichtlich genervt, wie sie es immer tut, und beginnt ihrerseits zu sprechen: „Ja, das verschrobene Biest hat mich vorher durch das Fenster angestarrt.“ Das Lachen der anderen verstummt und sie schauen sich etwas Ratlos an.

Der Minuten Zeiger Xenias Kaminuhr springt eine Satz von der 12 weg und die Klingel erneut ein letztes Mal für diesen Abend. Liese ist da.

Jetzt sind sie alle beisammen. Susanne sitzt im Sessel. Xenia und Liese auf dem Doppelteil. Und Silvia teilt sich den Dreier mit Eliane. Es ist zwanzig Uhr dreissig, die bisherige Zeit bestand aus jeweilig kurzem Aufflackern von belanglosen Themen. Silvia zum Beispiel erzählte von ihrem „Speicherblock“, welchen sie ihrem liebsten Kollegen im Büro hätte bringen sollen, dieser war aber nicht da und so musste sie eben, diesen Block mit den Bildern einfach auf dessen Arbeitsplatz legen und eine Mail schreiben. „Und heute Abend“, erzählte sie brüskiert, „wollte ich dieses Klötzchen wieder holen gehen und noch mit ihm reden, aber da war der schon gegangen. Um 16 Uhr! Das ist unglaublich.“ Sie erhielt gemischte Reaktionen. Die andere nickten, machten irgend ein Geräusch oder schauten, wenn sie Eliane hiessen, gelangweilt aus dem Fenster. Seit einigen Minuten sitzen sie jetzt einfach da.

Was macht, wie geht’s, wann, wie, wo, warum? Und sonst?

Niemand erzählte etwas. Nicht, dass sie nichts zu erzählen gehabt hätten, aber die anderen hätte es nicht interessiert. Auf einmal ergreift Susanne das Wort und richtet es an Liese. „Wie geht’s eigentlich deinem Sohn? Der Nick, so hiess er doch, oder?“ Liese nickt und schaut Susanne an. „Der muss doch jetzt auch schon 16 sein, oder? Macht er eine Lehre? Studiert er?“ Susanne merkt nicht, dass die anderen etwas verwundert sind und Eliane gar wütend zu sein scheint. „Muss ja Jahre her sein, dass ich den zuletzt gesehen habe. Wann war das? Null-Fünf?“ Liese scheint zu überlegen und nickt wieder. „Das ist ja so ein Süsser, der hat bestimmt eine Freundin, oder?“ Liese schaut Susanne mit ihren so nichtssagenden Augen an. „Das…“, sagt sie direkt und Emotionslos wie immer, „Das kannst du Eliane fragen, das ist ihr Sohn, ich habe keinen.“ Susanne reisst erstaunt ihre Augen auf, wie sie das immer tut, wenn etwas sie schockiert und dreht ihren Kopf zu Eliane. „Untersteh dich!“, fährt aus dieser heraus, „Du bist echt ’ne hohle Nuss.“

Erneute Stille durchzieht den Raum.

„Heute ist was passiert!“ Xenia will zur Lockerung dieser Szenerie ihre Tagesanekdote erzählen. „Ich hatte nur zwei Kunden im Restaurant und ich begrüsste sie, indem ich einfach diese Melodie von diese A-Team Film zu singen begann.“ Etwas entrüstet und erstaunt richten die anderen ihre Blicke auf Xenia, welche genau diese Melodie zu summen beginnt. „Die fanden das toll, sag ich euch.“ Eliane überlegt sich indes, wie toll die das wohl fanden. Sie stellt sich vor, wie diese Kunden im Restaurant sitzen, sich dieses geträller gefallen lassen, eine gute Miene machen, sich aber denken, dass sie nie mehr dort hin gehen werden. Ein erstes, einziges und für diesen Tag letztes aufflackern eines lächelns zittert an ihren Mundwinkeln.

Xenia erzählt weiter: „Dann hat der Pete, diese dumme Nuss, einfach von unserer Cola getrunken. Ich sagte ihm, das wäre gestohlen und … ja aber der verstand das nicht.  Item. Ich ging zu jenen Kunden und erzählte ihnen von Superman, weil der eine, der hatte so eine blaue Jacke…“ – „Eine blaue Jacke?!“ Susanne unterbricht Xenia. „Da hab ich Heute auch einen gesehen. Der hatte mit seinem Kumpel auf den Zug gewartet, den Zug den auch ich nahm und die haben geredet. Und als ich da vorbeiging, hat der plötzlich von Brüsten erzählt. Ich meine, einfach so in der Öffentlichkeit. Ich konnte es nicht fassen. Ich war so verwirrt. Und das schlimmste war, dass die dann auch noch erste Klasse fuhren!“ Susanne war schon wieder ganz wütend und regte sich auf. Keiner sagt etwas, es ist still. Nur das erregte Atmen von Susanne füllte den Raum.

„Ach…“, durchbricht Xenia die Stille, „Susanne…“

Sie schaut sich um und wendet sich an Eliane. „Und, was hast du so gemacht?“ Eliane will darauf antworten, doch Susanne fährt ihr in’s wort und ruft spöttisch, dass sie natürlich nichts gemacht haben wird. Eliane zieht ihre Stirn zusammen und grummelt vor sich hin. Liese schaut zu Eliane. „Ihre Stimmung ist wohl im Keller.“ Silvia lacht laut auf. „Wie immer!“, plärrt aus ihr heraus.

„Ich hasse euch.“ Eliane steht auf und stampft zur Tür. „Ihr dreckigen Fotzen!“ Und sie ist verschwunden.

In neuer, erdrückender Stille, starren sich die übrigen Frauen nur noch an. Sie Fragen sich, warum sie das eigentlich immer und immer wieder weiderholen. Keine fragt danach, keine würde auf diese Frage antworten. Sie wissen, warum sie sich immer wieder miteinander abgeben. Auch wenn sie sich nichts miteinander gemeinsam haben, gibt es ein Attribut das sie verbindet. Sie wollen und werden es sich niemals eingestehen. Den Gedanken daran versuchen sie schon im Keim zu ersticken aber das ändert nichts an der Wahrheit: Niemand anderes würde sich mit ihnen abgeben.

Ende.

Ein trauriges Thema, nichtwahr? 🙂 (haha und ich mache danach ein lachendes Emoticon haha)

Wie ich Anfangs gesagt habe, basieren die Charaktere auf Personen und Situationen, die mir vor kurzem passiert oder begegnet sind. Jetzt seht ihr mal, was mir alles so übern‘ Weg läuft, tagein und tagaus.

Und damit sich auch auf keinen Fall jemand angepsrochen fühlt: Keine der charakterbildenden Personen (bzw. Frauen) kenne ich und habe sie nur höchstens zwei Mal in meinem gesehen.

Wie fandet ihr mein kurzes Sozialdrama? *haha*

cheers, der Pfoff


Kommentare

2 Antworten zu „Anthropostorie – Eine Geschichte von Menschen“

  1. Avatar von Tinas Nussini
    Tinas Nussini

    Zum Glück bin ich so müde, habe als Titel gelesen Apostrophophobie oder so und dachte immer, wann kommt das erste Apostroph? 😀

    Also sie mögen sich nicht und treffen sich, weil sie niemand anderen finden, so wie die desperate Housewives würde ich sagen.

    Ich weiss gar nicht was ich dazu meine. Ich weiss nicht was ich meine. Ich bin irgendwie anders, aber mir kommen manche auch so vor.

    Warum ist das so. Weiss nicht. Doch ich glaub, ich weiss warum. Es kommt vom Futterneid. Sie hat was und ich will es auch und sie hat eine Schwäche, ich hau mal prophylaktisch rein.

    Die Geschichte ist noch ziemlich spannend und fesselnd, finde ich.

  2. Hi Tina,
    Ich glaube nicht, dass es sehr ähnlich wie bei den DHs ist. Weil: Die mögen sich ja und haben ja auch Männer und so zeugs. Die (allesamt vollkommen naiven und stereotypen hahahahahaa) Protagonistinnen dieser Geschichte jedoch sind wohl ohne solche Zukunftsaussichten. Und zwar: Weil sie einfach psychos sind haha. nicht coole psychos wie wir, sondern psychopsychos die andere nerven. Nicht ein bisschen nerven, wie ich, sondern SO RICHTIG nerven.

    Ich selber bin auch nicht so. Ich fragte mich, in welchem Setting könnte ich diese Charaktere zusammenführen. Die verzweifelte Frauenparty kam mir da dann sehr gelegen.

    Du fandest die Geschichte vielleicht nur spannend, weil du die Apostrophes gesucht hast 😀 hihi

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